ARE 1: Für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik!

Ankunfts- und Rückführungseinrichtung in Manching/Ingolstadt in Gemeinschaftsunterkünfte umwandeln

Seit 2015 gibt es in Bayern zwei Ankunfts-und Rückführungseinrichtungen (ARE) in Manching/Ingolstadt und in Bamberg. Umgangssprachlich werden diese bundesweit beispiellosen Einrichtungen als „Balkanzentren“ oder „Abschiebelager“ bezeichnet. Erklärtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist es, in beiden AREs eine „Verfahrensbeschleunigung“ und somit eine schnellere Abschiebung zu ermöglichen. Darüber hinaus soll dort nach Angaben der Regierung von Oberbayern durch eine restriktive Behandlung der Bewohner*innen ein „klares Signal“ ausgehen „an Asylsuchende mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ in ihren jeweiligen Herkunftsländern. Die Regierung von Oberbayern ist verantwortlich für die ARE I in Manching mit drei Dependancen in Ingolstadt. Jeweils zwischen 700 und 1040 Bewohner*innen waren dort in den vergangenen Monaten untergebracht. Die häufigsten Herkunftsländer sind momentan die Ukraine, der Kosovo und Albanien.Mehrfach stand die ARE I unter massiver Kritik seitens des Bayerischen Flüchtlingsrates sowie der Grünen in Bayern, im Bundestag sowie im EU-Parlament.
15 Über etwa ein Jahr gab es keinerlei ehrenamtliches Engagement mehr in den Einrichtungen in Manching und Ingolstadt, nachdem Deutschkurse auch durch Ehrenamtliche von der Regierung von Oberbayern untersagt wurden. Weitere Angebote durch Ehrenamtliche wie beispielsweise die Kleiderkammer wurden ebenfalls eingestellt. Rigoros verfolgt die Regierung von Oberbayern ihr Ziel einer „niedrigschwelligen sozialen Betreuung und Beratung“, obwohl die Menschen dort mit existenziellen Problemen zu kämpfen haben. Nach Ansicht des UNHCR bestehen Zweifel, ob an den beiden bayerischen ARE Rahmenbedingungen für ein faires Asylverfahren gewährleistet sind. Zudem wurden erhebliche Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention deutlich, zu diesem Ergebnis kam auch eine aktuelle Studie der Hildegard-Lagrenne-Stiftung. Die aus Balkanländern stammenden schulpflichtigen Kinder durften bis Juli 2016 nicht die Regelschule besuchen, sondern erhielten zentral in der Manchinger Immelmann-Kaserne lediglich 12 Schulstunden pro Woche.

Seit April 2015 kamen kaum noch Asylsuchende aus dem Westbalkan nach Bayern. Die Zahl von aus Albanien und dem Kosovo stammenden Bewohner*innen der ARE I sinkt stetig. Stattdessen steigt die Zahl von aus der Ukraine stammenden Asylsuchenden in der ARE I. Momentan sind dort über 800 Ukrainerinnen und Ukrainer untergebracht. Sie stammen auch aus den Kriegsgebieten im Osten der Ukraine und von der Krim. Die Ukraine zählt im Unterschied zu den Balkanländern nicht zu einem sicheren Herkunftsland. Ursprünglich waren die Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen jedoch ausschließlich zur „Verfahrensbeschleunigung“ für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern angelegt. An der Rechtmäßigkeit der aktuell praktizierten Umverteilung ukrainischer Asylbewerber*innen äußerte auch die Grüne Landtagsfraktion erhebliche Zweifel.

Der Bezirksverband Oberbayern von Bündnis 90 / GRÜNEN fordert daher die Regierung von Oberbayern auf, auf die Bayerische Staatsregierung dahingehend einzuwirken, dass die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung ARE I in Manching/Ingolstadt unverzüglich in Gemeinschaftsunterkunftsplätze bzw Erstaufnahmeeinrichtungen umgewandelt wird.

Obwohl auf massiven Druck hin seit diesem Schuljahr nach Auskunft der Regierung von Oberbayern alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen umliegende regulären Schulen besuchen dürfen, ist keine grundsätzliche Verbesserung der Lebensumstände für die Bewohner*innen der ARE I in Sicht. Erst im August wurde einem Fernsehteam des Bayerischen Fernsehens der Zutritt in die Unterkünfte verwehrt. Die Caritas Pfaffenhofen berichtet, dass die Bewohner*innen von der Außenwelt abgeschnitten sind und es so gut wie keinen Kontakt gibt zur Bevölkerung in Manching bzw in Ingolstadt. Der Ausbau der Sozialarbeit wird seit langem versprochen, aber bislang nicht umgesetzt. Die medizinische Versorgung ist einem Bericht des Bayerischen Fernsehens zufolge defizitär. Unter den Bewohner*innen befänden sich auch Kinder mit schwersten Erkrankungen. Dem Beratungsbedarf vieler Bewohner*innen werden die drei verbliebenen Mitarbeiter*innen der Caritas kaum noch gerecht. Unter den Bewohner*innen befinden sich der Caritas Pfaffenhofen zufolge Menschen, die in ihren Herkunftsländern bedroht und diskriminiert werden. Darunter auch viele Roma, die in ihren Herkunftsländern auf dem Balkan einer systemischen Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Zustände in der ARE I sind insgesamt menschenunwürdig und mutmaßlich (völker)rechtswidrig.

Eine Umwandlung in Gemeinschaftsunterkünfte würde diese Situation beenden, da sich dadurch auch die Unterbringungsstandards ändern müssten. Beispielsweise wären in einer Gemeinschaftsunterkunft die entsprechende soziale Betreuung und der Schulunterricht für Kinder und Jugendliche obligatorisch zu gewährleisten. Beendet wäre damit auch der logistische und finanzielle Aufwand, Asylsuchende aus ihren Unterkünften in ganz Bayern nach Manching/Ingolstadt, bzw nach Bamberg in die Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen zu transportieren. Diese erneute „Umverteilung“ stellt für die Betroffenen, darunter viele Familien mit kleinen Kindern, eine zusätzliche Belastung dar. Viele von ihnen wurden nach ihrer Ankunft in der Erstaufnahme zunächst in Deutschland in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral untergebracht und mussten dann wieder ihren Aufenthaltsort wechseln in die ARE I bzw ARE II. Im Verlauf dieses Jahres wurde offensichtlich, dass der ursprüngliche Zweck der ARE aufgrund des Fernbleibens vieler Asylsuchender aus Balkanländern obsolet geworden ist. Für die Unterbringung Asylsuchender aus der Ukraine bleibt die Bayerische Staatsregierung den Nachweis einer rechtlichen Grundlage schuldig.

Die organisatorische Infrastruktur in der Immelmann-Kaserne der ARE I ist auf „Verfahrensbeschleunigung“ ausgelegt. Dies führte zu problematischen Asylverfahren für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern, zudem erstreckten sich die Aufenthaltszeiten für viele der dort untergebrachten Flüchtlinge unter schwierigen Bedingungen entgegen dem ursprünglichen Ziel der Staatsregierung auf viele Monate. Diese Strukturen sind erst recht nicht geeignet für die Anforderungen von Asylsuchenden aus nicht sicheren Herkunftsländern.

Um weitere Rechtsbrüche zu vermeiden, sollte die Bayerische Staatsregierung umgehend die Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen schließen. Zumal das von der CSU beabsichtigte Ziel beschleunigter Abschiebungen nicht erreicht werden konnte. In die Beratung der Caritas Pfaffenhofen kommen viele Asylbewerber*innen mit Einreisestempel 2014. Viele warten seit der Eröffnung der ARE I auf eine Entscheidung ohne während dieser Zeit einer Arbeit nachgehen zu können und lange Zeit ohne regulärem Schulbesuch für ihre Kinder. Neben den genannten Gründen muss die Bayerische Staatsregierung außerdem endlich mit Verantwortung vor unserer deutschen Vergangenheit agieren.


 

Einstimmig verabschiedet von der Bezirksversammlung Bündnis 90/DIE GRÜNEN Oberbayern am 8.10.2016 in Unterschleißheim.

Antragsteller*in: Bezirksvorstand Oberbayern von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN