Mobilität UND Lebensqualität für Stadt und Land

Neue Lösungen für die Verkehrswende in Oberbayern

Für die meisten Menschen in Oberbayern sind Verkehrsprobleme ein alltägliches und drängendes Problem: von Staus auf den Straßen, über unpünktliche und überfüllte Busse und Bahnen, Verkehrslärm, ungenügendem ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum bis hin zu fehlenden oder gefährlichen Radwegen – von Barrierefreiheit und Seniorengerechtigkeit ganz zu schweigen. Um die Mobilität ist es in Oberbayern nicht gut bestellt – weder auf dem Land noch in der Stadt.

Gleichzeitig sehen wir neue Herausforderungen an eine zukunftsfähige Mobilitätspolitik: Der Klimaschutz drängt insbesondere im Verkehrssektor zum Handeln. Elektrifizierung, Digitalisierung und autonomes Fahren revolutionieren den motorisierten Individualverkehr und bieten viele Chancen für positive Entwicklungen. Das Fahrrad erlebt einen ungeahnten Boom, nicht zuletzt aufgrund neuer Techniken wie der elektrischen Antriebsunterstützung. Gleichzeitig ändert verändert sich das Mobilitätsverhalten rasant, insbesondere bei jungen Leuten. Zumindest in den Städten hat das Auto seinen Stellenwert als Statussymbol verloren. Ein neues Verständnis des öffentlichen Raumes und wachsender Zuspruch für die ‚Stadt der kurzen Wege‘ breiten sich aus, das dem motorisierten Straßenverkehr nicht mehr das dominierende Vorrecht einräumt.

Gefragt sind heute multimodale, vernetzte Mobilitätsangebote, die Änderungen im Verhalten und in der Nachfrage durch technische und digitale Innovationen unterstützen: Beispielsweise CarSharing, BikeSharing und ÖPNV sollten einfach kombinierbar und mit einer einzigen App unkompliziert buchbar sein. Aber auch die Rückverlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene muss endlich angegangen werden. Auf besseren Schutz vor Lärm und Schadstoffemissionen auch an Bestandsstrecken warten Hunderttausende Menschen.

Verkehrsinfarkt in München abwenden – Perspektiven für den ländlichen Raum schaffen

Im Ballungsraum München sind Straßen, Busse&Bahnen sowie Radwege gleichermaßen überlastet. Viele Hunderttausend tägliche Nutzer verlieren Zeit, Nerven, Geld – und Lebensqualität. Gleichzeitig soll der Ballungsraum München in 20 Jahren auf dann 3,2 Millionen Einwohner*innen wachsen: rasant wie kaum eine andere europäische Metropolregion. Ideen gibt es viele: Lösungsansätze verlieren sich meist im Dschungel aus Zuständigkeiten, Fördertöpfen, Desinteresse und Unvermögen.

Während über Lösungen der Verkehrsprobleme im Raum München zumindest nachgedacht wird, gerät der ländlichere Teil Oberbayerns immer mehr ins Hintertreffen. Dort altert die Gesellschaft überdurchschnittlich stark, weil immer mehr junge Menschen in der Stadt ihre Zukunft sehen. Die Abwanderung junger Menschen bedroht die lokale Wirtschaft und die Finanzierbarkeit der Infrastruktur. Insbesondere vom Fremdenverkehr abhängige Regionen wie die oberbayerischen Alpen samt Alpenvorland aber auch die touristischen Gegenden an Altmühl, Donau, Inn und Salzach verlieren an Wettbewerbsfähigkeit. Immer mehr Touristen aus dem In- und Ausland können oder wollen nicht mit dem Auto anreisen und erwarten andere, modernere Mobilitätsangebote vor Ort. Um sich im stärker werdenden internationalen Wettbewerb der Reiseziele behaupten zu können, sind neue Angebote im ländlichen Raum Oberbayerns gefragt – nicht zuletzt auch zum Vorteil für die heimische Bevölkerung. So bieten sich wieder für mehr junge Menschen attraktive Zukunftsperspektiven auf dem Land.

Höchste Zeit, endlich umfassende, zukunftsfähige und klimafreundliche Mobilitätslösungen in der Stadt und auf dem Land zu realisieren, die die Lebensqualität der Menschen in allen Teilen Oberbayerns nicht weiter beeinträchtigen sondern sichern und erhöhen.

Von Vorbildern lernen: Neue Lösungen für neue Herausforderungen

Laut einer repräsentativen Umfrage des Bundesumweltamtes vom Sommer 2015 wünschen sich 82% der Deutschen weniger Autoverkehr und mehr ÖPNV, Fuß- und Radverkehr in ihren Städten und Gemeinden. Unter den jungen Befragten sind es sogar 92%. Ein klarer Handlungsauftrag an die Politik, den wir Grüne gemeinsam auf allen Ebenen vom Stadt- und Gemeinderat bis zur Landes- und Bundespolitik aber auch partnerschaftlich zwischen Ballungsraum München und ländlichem Oberbayern anpacken wollen. Mobilität ist ein Schlüsselthema für die künftige Entwicklung Oberbayerns. Nur wenn wir ein Übermaß an Straßenverkehr vermeiden, können wir Lebensqualität und Attraktivität unserer Orte und Landschaften sichern und entwickeln. Durch kluge Mobilitätspolitik kann ein schnell wachsender Ballungsraum wie München lebenswert bleiben. Und auch für ländliche Räume bieten sich vielfältige Chancen trotz der starken Anziehungskraft der Städte.

Es lohnt sich ein Blick über den Tellerrand: In anderen Regionen im In- und Ausland finden wir interessante Ansätze, wie innovative Mobilitätspolitik im Zeitalter der Dekarbonisierung und Reurbanisierung funktionieren kann.

Beispielsweise sinkt in der schnell wachsenden Metropole Wien seit 20 Jahren der Autoverkehrsanteil dank optimal ausgebautem ÖPNV und guter Infrastruktur für den Fußverkehr. Nun will man mit massivem Ausbau der Radwege den Autoanteil weiter deutlich senken. Die eigens geschaffene Mobilitätsagentur treibt den Bewusstseinswandel in der Stadt voran und forciert den Fuß- und Radverkehr sowie die Rückgewinnung öffentlichen Raumes für urbane Nutzung und Lebensqualität.

In österreichischen Kleinstädten treibt die Smart-City-Offensive der Bundesregierung die Schaffung von Begegnungszonen (Shared Space) zur Aufwertung von Siedlungskernen im ländlichen Raum sowie die Schaffung von Mobilitätsstationen mit einer Reihe von Pilotprojekten voran.

Großen Erfolg hat die autofreie Wintersportgemeinde Pfelders in Südtirol, die durch ein kostenloses und dicht getaktetes Kleinbuskonzept ein hohes Niveau an Mobilität und Aufenthaltsqualität sowohl für Gäste wie auch für Einheimische mit einer breiten Palette an Wertschöpfung vor Ort jenseits des Alpinski-Betriebes geschaffen hat.

Derartige Beispiele gibt es im In- und Ausland zuhauf – leider kaum in Oberbayern, das dabei ist, entscheidende Zukunftstrends komplett zu verschlafen.

Intelligente Mobilitätskonzepte für alle Teile Oberbayerns – Nein zur 2. Stammstrecke

Die Konzepte der Staats- und Bundesregierung sind für Stadt und Land in Oberbayern nicht nützlich sondern schädlich. Allen voran der neue Bundesverkehrswegeplan: Er beinhaltet weder für den schnell wachsende Ballungsraum München noch für die ländlicheren Landkreise Impulse für eine zukunftsfähige Mobilität sondern lediglich mehr Straßenbau. Mit diesem Plan verhöhnt Bundesverkehrsminister Dobrindt die vielen Menschen, die in München und Umgebung täglich im Stau oder in überfüllten Bussen und Bahnen stehen – genauso wie die Menschen, die mit Sorgen den schleichenden Bedeutungsverlust des ländlichen Raumes sehen.

Gleichzeitig wird mit der endlosen Debatte um die über drei Milliarden Euro verschlingende zweite Stammstrecke in München wertvolle Zeit für die viel wichtigere Verbesserung der Außenästen des S-Bahn-Systems, für die Schaffung tangentialer Verbindungen im näheren und ferneren Umland Münchens sowie für die überfällige Ertüchtigung der Bahnstrecken in der gesamten Fläche Oberbayerns vergeudet.

Umso mehr ist es jetzt an der Zeit, innovative, zeitgemäße Lösungen zu suchen und umzusetzen. Wir Grüne wollen die Lebensqualität aller Bürger*innen in Oberbayern in den Mittelpunkt der Mobilitätsplanung rücken. Oberbayern soll eine grüne und innovative Vorzeigeregion werden, die ein Höchstmaß an Lebensqualität, zukunftsfähige Mobilität, sowie wirtschaftliche und touristische Entwicklungsperspektiven in allen Landkreisen miteinander vereint.

Die Grünen in Oberbayern wollen in den nächsten Jahren das Schlüsselthema Mobilitätspolitik vorantreiben und innovative Lösungen nach den anstehenden Wahlen 2017, 2018 und 2020 in Regierungsverantwortung in Bund, Land und Kommunen umsetzen.

Eckpunkte Grüner Mobilitätspolitik für Oberbayern:

  • Verstärkte Integration von Mobilitäts-, Siedlungs-, Stadtentwicklungs- und Landnutzungspolitik, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, insbesondere Planung und Umsetzung von Mobilitätsinfrastruktur zeitgleich mit der Bebauungsplanung und -umsetzung.
  • Schaffung neuer Institutionen zur Integration und Umsetzung nachhaltiger Mobilitätspolitik für die gesamte Region
  • Stärkerer Fokus auf die Förderung neuer Mobilitätsverhaltensmuster (z.B. Multimodalität, Fußverkehr), Drosselung der Nachfrage durch technologiegestützte Alternativangebote (e.g. Telearbeit / ‘home office‘)
  • Prüfung einer möglichen Flexibilisierung von Arbeits-, Schul- und Geschäftszeiten, um Nachfragespitzen zu reduzieren (LMU-Studie)
  • Komplette Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans durch das Bundesverkehrsministerium, die jenseits neuer Straßenbauorgien echte Lösungen für die Mobilitätsbedürfnisse in Oberbayern beinhaltet. Dazu gehört eine systematische Planung der Schieneninfrastruktur unter den Anforderungen eines künftigen Deutschlandtaktes. Ferner die Elektrifizierung aller Bahnstrecken als Beitrag zur künftigen CO2-freien Elektromobilität, eine schnelle und komfortable Bahnverbindung Zürich-München-Prag, ein durchgehend zweigleisiger Ausbau der Bahnstrecke Ulm-Neuburg/Donau-Ingolstadt-Regensburg, der Neubau einer Bahnstrecke Weilheim-Bad Tölz-Holzkirchen sowie der Ausbau der Bahnstrecke München-Weilheim-Garmisch inklusive den Nebenstrecken.
  • Massiver Ausbau des Bahnknotens München inkl. dem zwei- und mehrgleisigen Ausbau aller S-Bahn-Strecken, S-Bahn-Nordring, S-Bahn-Südring, Neubau von Tangentialverbindungen perspektivisch mit einer Stadtumlandbahn
  • Das Ausschöpfen aller Möglichkeiten zur Verbesserung der Betriebsstandards im S-Bahn-Verkehr im Zuge der Verlängerung des Verkehrsdurchführungsvertrages mit der Bahn sowie eine gründliche und transparente Vorbereitung der Neuausschreibung mit Bürgerbeteiligung durch die Staatsregierung
  • Dichtere Takte auf allen Bus- und Bahnlinien, Ausbau und Vereinfachung des Systems der Rufbusse und Anrufsammeltaxis, Ausbau von Car Sharing Angeboten im ländlichen Raum nach dem Ebersberger Modell. Entwickeln neuer, innovativer Systeme mit wissenschaftlicher Unterstützung durch die Universitäten wie beim Beispiel des Eco-Bus in Göttingen. Dabei sind auch neue Perspektiven die sich durch das autonome Fahren sowie durch digital gestützte Mitfahrgelegenheiten (Trip-Sharing, u.ä.) ergeben, zu nutzen.
  • Barrierefreiheit im gesamten ÖPNV Oberbayerns
  • Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Einrichtung regionaler Güterverteilzentren. Für den innerstädtischen Lieferverkehr: Anreize für klimaneutrale City-Logistik wie z.B. Güterauslieferung mit Cargo-E-Bikes und Elektro-Lieferfahrzeugen.
  • Den Bau einer umfassenden Fahrradinfrastruktur durch ein koordiniertes Vorgehen der Kommunen beginnen, damit das Fahrrad als gleichwertige Alternative zu Auto und ÖPNV im Alltag genutzt werden kann.
  • Die Übernahme einer führenden Rolle bei Radschnellwegen durch den Freistaat Bayern, ggf. auch die Übernahme der Trägerschaft, analog der neuen Gesetzgebung in NRW. Der Freistaat soll jedoch zumindest für klare rechtliche Rahmenbedingungen sorgen, die regionale Kooperation stärken, die Planung unterstützen und den Bau fördern.
  • Die Staatsregierung wird aufgefordert, die Kommunen bei einer Stadt- und Ortsentwicklung zu unterstützen, die auf Nahmobilität (Fuß- und Radverkehr) sowie auf verkehrssparende Durchmischung von Wohn- und Gewerbegebieten setzt.
  • Vernetzte, intermodale Mobilitätskonzepte (Smart Mobility) für alle Kreisstädten. Mobilitätsstationen an allen geeigneten Bahnhöfen und Knotenpunkten mit digital abgestimmten Umstiegsbeziehungen, E-Bike/Bike- und Car-Sharing-Angeboten und Serviceeinrichtungen wie Ladestationen, Fahrrad-Parkhäuser bzw. hochwertigen Abstellanlagen mit Lademöglichkeiten. Nach dem Vorbild der österreichischen SmartCity-Initiative sollen die Chancen der zunehmenden Digitalisierung der Mobilität genutzt und mit intermodalen Mobilitätsangeboten der veränderten Mobilitätsnachfrage Rechnung getragen werden. Dabei ist auch die Fahrradmitnahme in den Bahnen zu verbessern und in Bussen des Regionalverkehrs mit Anhängern zu schaffen.
  • Flächendeckende Tarifverbünde in ganz Oberbayern, nicht nur für Busse und Bahnen sondern auch für andere Verkehrsmittel wie CarSharing, BikeSharing, E-Bike-Sharing, Skibusse, Schiffe etc. mit einer einheitlichen, intermodale Mobilitätskarte bzw. Mobilitäts-App einfach buchbar machen. Dabei ist die kostenlose Beförderung für Jugendliche bis 18 Jahren sowie attraktive Ausbildungs-, Semester, Senior*innen- und Sozialtickets sowie einfache und auch für ausländische Gäste verständliche Tourismusangebote vorzusehen. Tarif- und Landesgrenzen dürfen keine dabei Mobilitätsgrenzen sein.

Wir Grüne wollen die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger in Oberbayern in den Mittelpunkt der Mobilitätsplanung rücken. Oberbayern soll eine grüne und innovative Vorzeigeregion werden, die ein Höchstmaß an Lebensqualität, zukunftsfähige Mobilität, sowie wirtschaftliche und touristische Entwicklungsperspektiven in allen Landkreisen miteinander vereint.


 

Einstimmig verabschiedet von der Bezirksversammlung Bündnis 90/DIE GRÜNEN Oberbayern am 8.10.2016 in Unterschleißheim.

Antragsteller*in: Bezirksvorstand Oberbayern von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN, Regionalbeirat u.a.


 

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(Bildnachweis: 3x Dr. Markus Büchler. Bildausschnitt links unten mit Fahrrad: chettythomas@fotolia)

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