Pressemitteilung: Regierung von Oberbayern missachtet das Grundrecht auf soziale Teilhabe für Asylsuchende

Pressemitteilung anlässlich der Neuausrichtung in den „Ingolstädter Rückführungszentren für Balkanflüchtlinge“ von Agnes Krumwiede, Vorsitzende der Grünen in Oberbayern, und Joachim Siebler, Sprecher des Ingolstädter Kreisverbandes, stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bezirkstag sowie Vertreter im oberbayerischen Regionalbeirat für die Region 10 von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN:

Regierung von Oberbayern missachtet das Grundrecht auf soziale Teilhabe für Asylsuchende

Der Donaukurier berichtete am 21. Oktober 2015 unter der Überschrift „Integration nicht mehr erwünscht“ beim „Ingolstädter Rückführungszentrum für Balkanflüchtlinge“ werde das Engagement ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer nicht mehr benötigt. Auch Sachspenden sind ab sofort nicht mehr erwünscht. „Die Menschen, die hier ankommen, sind bereits versorgt“, erklärte Sozialreferent Scheuer gegenüber dem Donaukurier. Dies steht im Widerspruch zu Aussagen zahlreicher Ehrenamtlicher, die betonen, es bestehe z.B. ein akuter Mangel an Winterkleidung. Für Sprachkurse, die bisher von engagierten Ehrenamtlichen erteilt wurden, sieht Sozialreferent Scheuer „keinen Bedarf“ mehr. „Sozialreferent Scheuer ruft dazu auf, sich nicht weiter als Freiwillige zu melden. Ist das seine Interpretation der „Verabschiedungskultur“, die sein Namensvetter von der „Christlichen“ Partei auf allen Kanälen verbreitet?“,
fragt sich Joachim Siebler.
Für die Koordination der Kinderbetreuung ist nicht mehr die Stadt Ingolstadt, sondern die Regierung von Oberbayern zuständig. Ob im Containerdorf am FCI-Parkplatz sowie an den anderen Standorten weiterhin Kinderbetreuung angeboten wird, ist noch völlig offen. Agnes Krumwiede: „Es kann der Eindruck entstehen, dass in Ingolstadt ein Exempel für die knallharte Asylpolitik der Staatsregierung statuiert werden soll. Das derzeit bayernweit größte „Abschiebezentrum“ ist anscheinend als „Abschottungszentrum“ geplant.“
Keiner könne wissen, ob und wie schnell die Asylsuchenden an den unterschiedlichen Standorten in Ingolstadt tatsächlich abgeschoben werden: „Sollte es in den Unterkünften beim FCI-Parkplatz, an der Marie-Curie-Straße sowie am Audi-Kreisel tatsächlich keinerlei Sprachangebote geben und auch andere Angebote zur sozialen Teilhabe seitens Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger abgeblockt werden, wäre dies ein Verstoß gegen unsere Verfassung: Gemäß eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012 ist die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ein Grundrecht (Leitsatz BvL 10/10 vom 18.07.2012) Dieses steht allen Menschen gleichermaßen zu, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Auch jenen Geflüchteten, die in der Mehrzahl wieder in ihre Heimatländer abgeschoben werden, weil sie keinen Anspruch haben auf politisches Asyl. Sprachkurse sind eine elementare Grundlage sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe. Darüber hinaus sind Sprachkompetenzen die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit. In den Herkunftsländern der allermeisten in Ingolstadt untergebrachten Geflüchteten herrscht bittere Armut und wirtschaftliche Instabilität. Es muss in unser aller Interesse liegen, dass sich die Lebensbedingungen in diesen Ländern verbessern. Wir haben in Ingolstadt genügend qualifizierte Ehrenamtliche, die gerne Sprachunterricht erteilen! Dieses Angebot abzulehnen ist ein Affront gegen das Engagement aller Ehrenamtlichen. Und ein Schlag ins Gesicht jener, die bei uns Schutz suchen vor Elend und Armut und unsere Unterstützung benötigen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau ihrer Heimatländer sowie beim Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz.“
Auch Joachim Siebler zeigt wenig Verständnis dafür, den Sprachunterricht durch Ehrenamtliche einzustellen: „Eine gemeinsame Sprache zu finden, ist ein wichtiger Vorgang in der Völkerverständigung. Wenn es Menschen gibt, die sich freiwillig dafür einsetzen, dass andere die Sprache lernen, dann gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, dieses Engagement zu unterbinden, ganz gleich wie hoch oder wie niedrig die Perspektive ist, dauerhaft in diesem Land zu leben. Es ist ein völlig falsches Signal, wenn man der Hilfsbereitschaft eine Absage erteilt, denn freiwilliges Engagement kann man nicht beliebig abrufen.“